Das Schweigen ist gebrochen!

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2. Pressemitteilung vom 22. Dezember 2023 zu den Veranstaltungen der Erinnerungswochen 30. Todestag Bakary Singateh alias Kolong Jamba

Mit der Finissage am 21.12.2023 endeten die Erinnerungswochen an Bakary Singateh/Kolong Jamba, der vor genau 30 Jahren in einem Zug in Buchholz in der Nordheide Opfer einer rassistischen Gewalttat wurde und den Tod fand. Die Antifaschistische Erholungs- und Begegnungsstätte Heideruh hat in einem Rahmenprogramm die vielfältigen Formen des Erinnerns und der politischen Dimensionen rassistischer Gewalt in Buchholz und Niedersachsen aufgezeigt. In der Abschlussveranstaltung wurde auf der Finissage – platziert in der Ausstellung „‘Erinnern heißt Kämpfen!‘ Zwischen Anerkennung und Vergessen. Todesopfer rechter Gewalt in Niedersachsen seit 1990“ in der Stadtbücherei, die von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus konzipiert wurde, eine Bilanz gezogen.

Die Ausstellung wurde von vielen Buchholzer Bürgerinnen und Bürgern angenommen. Uta Golombek von der Stadtbücherei äußerte ihren Dank, dass die wichtige Ausstellung hier stattfinden konnte und beschrieb die Aufmerksamkeit der Besuchenden, die sich täglich eingefunden haben. Von anderen Teilnehmenden wurde die Gedenkfeier am 7. Dezember und der 6. Stadtrundgang „Auf den Spuren des NS-Regimes in Buchholz“ am 17. Dezember positiv hervorgehoben.

Beide Veranstaltungen standen unter dem Zeichen eines politischen Erinnerns in ihren unterschiedlichen Ausprägungen. Die Gedenkveranstaltung zum Todestag von Bakary Singateh/Kolong Jamba wurde nicht zuletzt durch die Anwesenheit von Sambujang Singateh, der die tiefe Wunde, die der Tod seines Bruders hinterließ, ansprach, zu einer berührenden Erfahrung für viele Teilnehmenden. Der Stadtrundgang war mit über 30 Teilnehmenden überbucht und verdeutlicht das Bedürfnis an einer kritischen Auseinandersetzung mit der Geschichte von Buchholz, der Schrecken des Nationalsozialismus und rechter Gewalt in der Bundesrepublik.

Im Anschluss wurde ein Blick in die Zukunft gewagt. Im Fokus stand die aktuelle Diskussion im Stadtrat um eine Platzbenennung nach Bakary Singateh/Kolong Jamba. Heideruh begrüßt die Diskussionsbereitschaft der anwesenden Ratsmitglieder Frerk Meyer (Bündnis 90/Die Grünen), Dr. Martin Pries (FDP) und Steffen Wetzel (Die Linke). Die Teilnahme des stellvertretenden Bürgermeisters Frank Piwecki (SPD) und der Stadträtin Grit Weiland (Buchholzer Liste) an vorangegangenen Veranstaltungen weist auf den Wilen der Buchholzer Politik hin, sich mit dem Thema zu befassen.

Die Finissage war von einem konstruktiven und gewinnbringenden Austausch mit den anwesenden Ratsmitgliedern begleitet. Der Eindruck, dass mit den Erinnerungswochen das Schweigen um den Tod von Bakary Singateh/Kolong Jamba auf politischer und zivilgesellschaftlicher Ebene gebrochen ist, hat sich bestätigt. Die Vertagung der Behandlung der Anträge von SPD/Linke und Buchholzer Liste zu den Formen der Erinnerung an das Opfer und die Tat auf der letzten Ratssitzung wird von den Anwesenden positiv gewertet, um gemeinsam mit allen demokratischen Fraktionen eine gemeinsame Lösung zu finden.

Die Botschaft der Finissage ist, dass das Ringen um die beste Lösung eines angemessenen Erinnerns und die Bewertung von rassistischer Gewalt zwar noch nicht abgeschlossen ist, jedoch nicht mehr von der tagespolitischen Agenda gestrichen werden kann. Der gezeigte Wille von SPD/Linke, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Buchholzer Liste, sich eingehend mit den Umständen des Todes von Bakary Singateh/Kolong Jamba, des gesamtgesellschaftlichen Problems von Rassismus damals und heute und der Frage nach einem Platz des Gedenkens in der Buchholzer Stadtlandschaft zu befassen, wird von den InitiatorInnen der Erinnerungswochen ausdrücklich begrüßt.

1. Pressemitteilung zu den ersten Veranstaltungen der Erinnerungswochen 30. Todestag Bakary Singateh alias Kolong Jamba

Am 30. Todestag des in Buchholz getöteten Bakary Singateh alias Kolong Jamba versammelten sich am 7. Dezember um 16:30 Uhr über 35 Menschen am Buchholzer Bahnhof zum Gedenken. Einleitend gab Bea Trampenau (Geschäftsführerin von Heideruh) den Tathergang vor 30 Jahren wieder. Sie wies auf die rassistischen Motive des Täters Wilfried S. aus Buchholz, der den jungen Gambier im Zug mit einem Jagdmesser niederstach, und die darauffolgenden, verharmlosenden Gerichtsprozesse hin.

Darauf folgte auf dem Bahnhof das Gedenken an Bakary Singateh alias Kolong Jamba: Sambujang Singateh, der Bruder des Getöteten, erinnerte an ihn und die erschütternde Nachricht seines Todes. In einem vom Imam Alagie Kebbeh geführten Gebet und einer Schweigeminute wurde dem Ermordeten gedacht und für das Erinnern gedankt. Zum Abschluss wurde eine Tafel mit dem Namen Kolong Jambas und dem Todesdatum in der Bahnhofsstraße angebracht. Angesichts der laufenden Diskussion um eine Platzbenennung nach Kolong Jamba haben die Anwesenden die Forderung bekräftigt, die Tötung als das zu bezeichnen, was sie ist – eine rassistisch motivierte Gewalttat – und forderten ein angemessenes Erinnern, das eine Anerkennung voraussetzt. Am 12.12.23 hat der Rat der Stadt zu entscheiden, ob ein Platz benannt wird.

Gedenken auf dem Bahnhof Buchholz
Fotografin: Friederike Wansing

Durch den Bruder konnte endlich geklärt werden, dass Bakary Singateh der Name des Getöteten ist.

Bereits am 6. Dezember haben die Erinnerungswochen mit der Eröffnung der Ausstellung „Erinnern heißt Kämpfen. Zwischen Anerkennung und Vergessen. Todesopfer rechter Gewalt in Niedersachsen seit 1990“ in der Stadtbücherei Buchholz begonnen. Die von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus angefertigte Ausstellung thematisiert die gesellschaftlichen und politischen Hintergründe der bisher zehn erfassten Morde durch Rechte in Niedersachsen seit 1990. Die Vertreterinnen der Mobilen Beratung, Eva Bunn und Friederike Wansing, eröffneten die Ausstellung und leiteten eine Führung. Die Opfer wurden „getötet, weil die Mörder rassistisch waren, weil sie in den Opfern politische Gegner sahen oder weil sie unter sozialdarwinistischen Gesichtspunkten nicht in das Weltbild“ passten, so Eva Bunn.

Der Bruder Sambujang Singateh trauert am Schild in der Bahnhofsstraße.
Fotografin: Friederike Wansing

Daneben wurde auf die starke Differenz der Polizeistatistik und der Recherchen von unabhängigen Journalisten aufmerksam gemacht. In Niedersachsen wurden nur zwei der 10 Fälle von amtlicher Seite als rechte Gewalttaten eingeordnet. Friederike Wansing betonte: „Leider bedeutet ‚Erinnern heißt Kämpfen‘, dass es oft um Anerkennung der Ermordeten als Opfer von politisch motivierter Gewalt“ gehe.

Am 10. Dezember wurde in einer Diskussionsveranstaltung die Frage erörtert, wie das Schweigen gebrochen werden kann. Während die Ermordung Bakary Singatehs/Kolong Jambas und die daran anschließenden Gerichtsprozesse von der bundesweiten und lokalen Presse aufmerksam begleitet wurde und mit größtem Unverständnis die Urteilsfindung kommentierte, legte sich über die Stadt in Politik und Zivilgesellschaft ein Mantel des Schweigens und Vergessens. Frank Piwecki, stellvertretender Bürgermeister, rekonstruierte die aktuelle Diskussion um die Benennung eines Kolong-Jamba-Platzes im Stadtrat. Er zeigte sich besorgt wegen Ausweichmanöver von Teilen des Rates. Der ebenfalls anwesende Landesvorsitzende der Linken Niedersachsen Thorben Peters hob die politisch-gesellschaftliche Bedeutung der Anerkennung rassistischer und rechter Gewalttaten hervor, „Aufarbeitung ist zum politischen Handeln notwendig, um auch zukünftig rechtsextreme Gewalt zu verhindern.“ Bea Trampenau erinnerte an die Forderung der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus, die acht nicht anerkannten Opfer rechter Gewalt vom Land Niedersachsen neu bewerten zu lassen.

In den Erinnerungswochen wird die Auseinandersetzung mit rechter Gewalt und Rassismus weiter thematisiert.

Am 14. Dezember stellen von Rassismus Betroffene um 18 Uhr im Bahnhofscafée ihre Erfahrungen zur Verfügung. Mit einer Finissage schließen die Erinnerungswochen am 21. Dezember um 18 Uhr in der Stadtbücherei, um eine Auswertung und eine Perspektive für das Erinnern zu schaffen.

Veranstaltete werden die Erinnerungswochen von der Antifaschistischen Erholungs- und Begegnungsstätte Heideruh. Dort können auch Hintergrundinformationen erfragt werden.